Liebe Ossis, es tut mir leid.

Eine ganz persönliche Betrachtung

Vor einigen Tagen haben wir dreißig Jahre deutsche Einheit gefeiert. Das ist erst einmal toll. Um aber ganz ehrlich zu sein, das war es nicht immer und auch nicht für alle. Für viele Dinge kann keiner etwas, für einige schon. Für diese „einigen“ Dinge möchte ich als „Wessi“ - wenn auch meines Wissens frei von persönlicher Schuld - einmal deutlich um Entschuldigung bitten.

Mit dem Fall der Mauer entstand eine Situation ohne Beispiel. Keiner hatte einen echten Plan, wie sich die Geschichte entwickeln würde. Zumindest im Westen hatten sich der Großteil der Menschen die Wiedervereinigung gewünscht, aber konkrete Vorstellungen hatten wohl die wenigsten. Viele, so wie ich, hatte auch kaum Vorstellungen von "der DDR". Wir hatten keine Verwandschaft im Osten, bekamen keinen Besuch von dort, schickten keine Pakete. Für mich war die Welt an der innerdeutschen Grenze quasi zu Ende. Das änderte sich, als ich während des Studiums eine Freundin hatte, die a) Verwandschaft in Pritzwalk besaß und b) Freunde in Westberlin, die es mal zu besuchen galt. Auch Berlin hatte ich vorher nie besucht. Die erste Fahrt 1988 nach Westberlin bescherte mir ein neues, bis dahin unbekanntes Gefühl: Angst. Die Feindseligkeit der Grenzer am Übergang zur Transitstrecke ließ mich befürchten, dass mir ein falsches Wort möglicherweise ein eingehendes Verhör, die Zerlegung des Wagens und im ungünstigsten Fall einige Jahre Inhaftierung in Ostdeutschland einbringen würde. Ein anderes Mal besuchten wir die Verwandschaft meiner Freundin, dabei erlebte ich meine erste Mitfahrt mit einem Trabbi, meine erste Clubcola und die abendliche Ausgestorbenheit einer Innenstadt. Alles, wirklich alles, war anders. Anders, als ich es mir vorgestellt hatte und schlimmer, als ich befürchtet hatte. Nur die Menschen, die mir begegneten, waren nett, freundlich und "total normal". Kaum ein Jahr später fiel die Mauer, plötzlich waren alle Karten neu gemischt. Am ersten Wochenende stellten wir eine underer Strudentenbuden einem jungen Ehepaar zur Verfügung, dass sich Hamburg anschauen wollte. Was dann geschah, war in vielfacher Hinsicht beispiellos, im Guten wier im Schlechten. Heerscharen von Versicherungsdrückern (ich meine, die Zahl von 13.000 zu erinnern), anders mag man sie kaum bezeichnen, fielen, Heuschrecken gleich, im Osten ein und verkauften den Menschen, die damit nicht vertraut waren, Versicherungen für und gegen jeden erdenklichen Blödsinn, um sie vor den "neuen" Gefahren zu schützen. Ha Ha Ha. Noch zwanzig Jahre später jubelte die westdeutsche Gebrauchtwagenbranche von der größten "Entrostungsaktion" ihrer Geschichte, in der ahnungslosen Wiedervereinigten die letzten, gerade noch fahrfähigen Rostlauben angedreht wurden. Den fernsehentwöhnten Ostbürgern wurde vielfach vom LKW herunter Satellitenequipment für die neue bunte Sendervielfalt verkauft, natürlich zu extrem überhöhten Preisen.